Haushaltsrede vom 18.03.2010

Haushaltsrede von Angelika Machelett, Fraktionsvorsitzende der SPD-Kreistagsfraktion in der Sitzung des Kreistages am 18. März 2010

Es gilt das gesprochene Wort

Herr Landrat,

meine Damen und Herren,

Herr Seidel ist gerade noch einmal ausführlich auf das Haushaltszahlenwerk eingegangen. Die Situation ist klar: Noch rollt sie, die Kugel, doch das „Rien-ne-va-plus“ kommt, - spätestens im nächsten Jahr. Dann befindet sich der Märkische Kreis – ebenso wie 14 seiner 15 Städte und Gemeinden jetzt schon – in der Haushaltssicherung.

Wenn wir über den Haushalt reden, dann ist neben den Sozialausgaben der Stellenplan einer der größten Brocken, die es finanziell zu bewältigen gibt. Daher ist der Ruf nach Kürzungen in diesem Bereich schnell bei der Hand. „Sollen die beim Kreis doch erst mal Personal abbauen, anstatt ständig die Kreisumlage zu erhöhen.“ Das hat wohl jeder von uns bereits zig Mal in den letzten Jahren aus seiner und anderen Städten gehört. Seit mehr als zehn Jahren geistert der Aspekt des Personalabbaus durch die Reden der Bürgermeister und Landräte. Immer mit der Bemerkung: „Die Belastungsgrenzen sind erreicht.“

Wann sind sie denn nun erreicht, die Belastungsgrenzen, wenn seit zehn Jahren die Luft immer dünner wird? Der Personalrat ist der Ansicht: Jetzt!

Jetzt muß neu nachgedacht werden. Über Stellen und Standards. Und er nennt Zahlen:

Bezogen auf das Jahr 2002 stehen im diesjährigen Entwurf 26 Stellen weniger. Der Personalbedarf für zusätzliche Aufgaben hat sich jedoch seit 2002 auf 65,7 Vollzeitstellen summiert. Davon gingen beispielsweise 13 Stellen in die Übernahme der Rettungswachen in Herscheid und Halver, 11,5 Stellen in die Reform der Versorgungsverwaltung, 12,5 Stellen in die Sozialen Dienste und plus 5,5 Stellen ist das Ergebnis des Rettungsdienstbedarfsplanes. Um nur einige zu nennen.

Ich denke, niemand hier möchte eine Verwaltung mit hohen Krankenstände und vielen Langzeitkranken haben, die der nervlichen Belastung ihres Berufes nicht mehr gewachsen sind. Daher muss die Diskussion um Beibehaltung oder Kürzung von Standards mit Blick auf die Personalentwicklung ein ganz wichtiger Punkt sein, wenn die Gespräche über das Haushaltssicherungskonzept beginnen. Wir alle tragen mit Verantwortung dafür, dass die Beamten und Angestellten im Kreishaus ihre Arbeit machen können, ohne davon krank zu werden.

Mit Blick auf das Haushaltssicherungskonzept wäre meine Vorstellung, statt eines weiteren Ausschusses, wie ihn die UWG fordert, hierfür die Interfraktionelle zu nutzen. Diese wird nach der Sommerpause das Haushaltsicherungskonzept auf der Agenda haben und somit allen Fraktionen ein Mitspracherecht ermöglichen.

Wissen Sie schon das Neuste: Dass wir für das kommende Jahr ein Haushaltssicherungskonzept vorlegen müssen, daran sind wir selbst Schuld.

Regierungspräsident Diegel hat seine Meinung klar geäußert: Wir hätten ja in den fetten Jahren sparen können, dann brauchten wir jetzt nicht zu jammern. „Diegel droht mit harter Kante“ lautete eine Überschrift in der WR.

Obwohl: Nachdem er regierungsbezirkweit dieses propagiert hatte, besuchte er unseren Landrat. Der erklärte ihm dann beim Bütterken alles das, was der RP bislang gar nicht gewusst hatte, nämlich: Warum es den Kreisen und Städten so schlecht geht, dass gar nicht alles hausgemacht ist und es keineswegs so ist, dass alles Gute von oben kommt. Der Herrscher über sämtliche Nothaushalte im Regierungsbezirk wusste bis dahin gar nicht, wo die Not der Haushalte her kam.

Und da gibt’s Leute, die sich über die Generation Praktikum beschweren. Sechs Wochen im Vorzimmer von Fritz Heer hätten dem Herrn Diegel möglicherweise weitergeholfen.

Aber der Landrat hat ja gesagt, die Beziehungen zur Bezirksregierung sind gut. Da kann sich der RP ja dann an Thomas Gemke wenden, wenn er wieder mal nicht Bescheid weiß.

Zurück zu den fetten Jahren des Herrn Diegel: Wann waren sie denn, die fetten Jahre, in denen der Kreis das Geld zum Fenster rausgeschmissen hat? Die Jahre, in denen der Kreis hätte wissen sollen, dass das Konnexitätsprinzip nur noch ein Wort auf einem Blatt Papier ist? In denen er hätte wissen müssen, dass Finanz- und Wirtschaftskrise die öffentlichen Haushalte zusammenbrechen lassen?

Vor 15 bis 20 Jahren, sagt Diegel. - Glück gehabt! Dann bin ich ja nicht Schuld!

Gibt es in dieser ganzen Gemengelage zwischen Städten, Kreisen, Bezirksregierung, Land und Bund eigentlich noch irgendjemanden, der ein ernsthaftes Interesse am anderen hat? Gibt es das, was früher einmal Solidarität hieß, überhaupt noch?

Der Regierungspräsident kritisiert seinen Ministerpräsidenten nicht, „weil es sich nicht gehört“. (WR vom 15.1.2010) Das müsste er jedoch tun, wenn er die Interessen seiner Städte und Kreise vertreten wollte. NRW-Innenminister Ingo Wolf ist in der Gemeindefinanzkommission in Berlin dafür zuständig, dem Bund die erforderlichen Zugeständnisse für eine angemessene Finanzausstattung abzuringen. Genau jener Ingo Wolf, der noch vor Kurzem lautstark vertrat, dass die Städte einfach mehr sparen sollten, dann gäbe es auch keine Finanzprobleme.

Offenbar scheint auch hier wieder die alte Weisheit zu greifen: Den Letzten beißen die Hunde.

Doch wollen wir wirklich die „Gebissenen“ sein? Ganz sicher nicht!

Wir müssen unser Schicksal selbst in die Hand nehmen. Andere werden es nicht für uns tun. Wir müssen die verklagen, die sich an keine Regeln und Prinzipien mehr halten und die die Kreise ebenso wie die Städte und Gemeinden ausbluten lassen. Wir wollen zurückhaben, was uns zusteht. Daher müssen wir klagen, unter anderem gegen die zu geringe finanzielle Unterstützung bei horrende steigenden Sozialausgaben. So schnell und so effizient wie möglich. Wenn’s geht, auch in Kooperation mit anderen Kreisen. Es ist gut, dass wir uns interfraktionell darauf einigen konnten, Klagemöglichkeiten auszuloten.

Allerdings nicht so, wie Recklinghausen es getan hat. Die fordern unter anderem, bei einer gleichbleibenden Finanzausstattung einen größeren Teil vom Kuchen abzubekommen. Da immer nur 100 Prozent zu vergeben sind, hieße das für alle anderen: Sie bekommen noch weniger. Das kann es nicht sein.

Das Prinzip „Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht“ hat noch nie funktioniert. Für sich und gegen andere zu arbeiten ist das völlig falsche Signal. Wenn Bund und Land sich bewegen sollen, dann sind konzertierte Aktionen gefragt. Nur die Stimmen vieler sind laut genug, um in Düsseldorf und Berlin Gehör zu finden.

„Es gibt einfach keine Stellschraube mehr, an der man politisch noch drehen könnte.“ So hat Ulli Duffe das Dilemma um die explodierenden Sozialausgaben beschrieben. Und damit wären wir bei den Linken. Denn das sind offenbar die Einzigen mit Patentrezept: „Hartz IV-Regelungen abschaffen“, so stand es in der WR (17.2.2010). Das ist ihre Stellschraube. Was das heißt, haben sie vorsichtshalber nicht gesagt. Sollen alle Hartz IV-Empfänger gar kein Geld mehr bekommen oder sollen wir nach sozialistischer Manier die Vollbeschäftigung im Grundgesetz garantieren? Ein wahrhaft konstruktiver Beitrag zur Finanzkonsolidierung.

Meine Dame und meine Herren von den Linken. Sie werfen uns Wahlbetrug vor, weil wir der schrittweisen Privatisierung des Aufsichtsdienstes in den Museen der Burg zugestimmt hätten. Lesen Sie mal das Protokoll des Kreistages vom 2. Oktober 2002. Da haben wir deutlich unsere Gründe zur Ablehnung der Privatisierung klar gemacht und sind überstimmt worden. Das ist Demokratie.

Wahlbetrug, Herr Kunkel, ist etwas anderes. Wahlbetrug ist, wenn ich den kleinen Leuten verspreche: „Ich kümmere mich um Eure Anliegen“ und dann nichts besseres zu tun habe, als fern jeder politischen Spielregel irgendwelche unrealistischen Dinge zu propagieren, nur, um den eigenen Namen in der Zeitung zu lesen. Das, Herr Kunkel, ist Wahlbetrug.

Denn wenn es ihnen ernsthaft um Änderungen gehen würde, kämen die Linken nicht in den Sozialausschuss und würden ohne Antrag und Begründung Mittelaufstockungen fordern, denen niemand folgen kann. Sie wissen ja nicht mal, wie viele von Ihnen im jeweiligen Ausschuss sitzen. Oder wie war das im Schulausschuss, als auf einmal zwei Linke mit abstimmten, obwohl nur einer dazu gehörte.

Wir sind gerne bereit, Sie Ernst zu nehmen, doch – bitte – machen Sie erst mal Ihre Hausaufgaben!

Ihre Hausaufgaben gemacht hat Kreisdirektorin Dienstel-Kümper in Sachen Kulturstiftung und Vereinsfinanzierung – ohne Frage. Mit den Beschlüssen aus dem Kreisausschuss, die heute vom Kreistag bestätigt wurden, sind wir nach langem Hin und Her in diesem Bereich wieder in einem konstruktiven Fahrwasser. Ich bin guten Mutes, dass der Stiftungsrat darauf Acht gibt, dass die Burg Altena nicht im Regen stehen gelassen wird. Und wie zu hören ist, sind die Vereine (Freunde der Burg, Kreisheimatbund) zufrieden mit der gefundenen Alternativlösung für ihre Geschäftsführung.

Doch eines möchte ich in diesem Zusammenhang noch bemerken. Wenn der Kreistag die Verwaltung auffordert, andere Möglichkeiten für dieses oder jenes darzulegen, dann möchten wir zunächst auch nur die anderen Möglichkeiten benannt haben. Die Politik entscheidet dann das weitere Vorgehen.

Ja, meine Damen und Herren von den Grünen. Da haben Sie für eine Menge Wirbel gesorgt mit ihren Kulturüberprüfungsanträgen. Und was ist dabei herausgekommen? Neue Akzente konnten Sie nicht setzen, was jetzt gemacht wird, wäre sowieso passiert, fruchtlose Debatten um halbgare Vorschläge und eine Menge Verunsicherung bei den Mitarbeitern.

Jetzt soll es Ihrer Ansicht nach dem Tourismus an den Kragen. Den Ausstieg aus dem Sauerland-Tourismus fordern Sie. Bringt nichts, kann weg. Ist das so? 294,7 Mio. Euro haben Tages- und Übernachtungstouristen im vergangenen Jahr im Märkischen Kreis ausgegeben. - 294,7 Mio. Euro.

50 Mio. weniger als das Gesamtvolumen des Kreishaushaltes. Da sollten wir nicht über einen Ausstieg aus dem Sauerland-Tourismus nachdenken, sondern darüber, ob wir im Kreishaus Betten aufstellen. Frühstück in der Kantine inclusive.

Werfen wir einen Blick auf eine andere Gesellschaft mit Vollpension, die Märkischen Kliniken. Bislang ist es den Herren Schüwer und Dr. Schwilk gelungen, den jährlich sich ändernden Anforderungen gerecht zu werden. Der von Dr. Schwilk erarbeitete Reformprozess hat die Kliniken ins Fahrwasser der Zukunft gebracht. Wir sind guten Mutes, dass auch die noch kommenden Stürme das Schiff nicht kentern lassen. Und auch die kleinen Schwestern in Letmathe und Werdohl bleiben – soweit absehbar – Teil der Klinikfamilie. Mit Hochdruck wird zur Zeit daran gearbeitet, das Werdohler Krankenhaus zukunftsfähig zu machen. Parolen, die davon künden, das Haus werde nach der Verlegung der Gynäkologie nach Hellersen, scheibchenweise abgebaut, entbehren jeder Grundlage.

Themenwechsel: Kennen Sie den? Gehen zwei Zahnstocher durch den Wald. Auf einmal kommt ein Igel vorbei. Sagt der eine Zahnstocher zum anderen: Hast du gewusst, dass hier Busse fahren?

Apropos MVG. Ausgesprochen gut gelungen zu sein scheint die Überführung von der MBG in die MVG und damit die Abschaffung der Zwei-Klassen-Gesellschaft innerhalb der Verkehrsbetriebe.

In einem Flächenkreis wie dem Märkischen Kreis beim ÖPNV die Balance zwischen Angebot und Nachfrage zu finden und das Ganze in einem vertretbaren Finanzrahmen, ist ebenso schwierig wie alternativlos.

Kaum sind ein paar Einsparungen gelungen, kommt das Land mit neuen Ideen um die Ecke. Und was bringen die? Wie immer: Nichts! Sie kosten!

Jetzt wird in Düsseldorf daran gebastelt, die ÖPNV-Mittelpauschale, - zum Beispiel für die Busbeschaffung -, und die Ausgleichszahlungen für die Schülerbeförderung ab 2011 zu einer neuen Pauschale zusammenzufassen. Bereits jetzt bekommt der Märkische Kreis entschieden weniger Geld als die großen Städte. Und das, obwohl gerade die ländliche Struktur mit ihren weiten Wegen einen verlässlichen Nahverkehr braucht, von der Schülerbeförderung mal ganz abgesehen.

Wenn zwei Pauschalen zu einer zusammengefasst werden, geschieht dies, um einzusparen. Wenn die Ruhrgebietsstädte gegen den Märkischen Kreis antreten, weiß man, wer gewinnt. Bleibt zu hoffen, dass der Protest, den Wolfgang Ewald im Regionalrat formuliert hat, Wirkung zeigt. Irgendwann muss es doch mal irgendwo noch gerecht zugehen!

Angesichts der Tatsache, dass bald Ostern ist und im Advent bereits die nächste Haushaltsrede ansteht, lasse ich es hierbei bewenden. Wir bedanken uns:

bei der Verwaltung für die geleistete Arbeit,

beim Kämmerer für die schier endlosen Erklärungen und Berechnungen, wenn wir gerade mal wieder eine Idee hatten, und bei seinen Leuten,

bei der Kreisdirektorin, weil sie in Zukunft alle Vorschläge vor der Umsetzung auf den Tisch legt,

bei Rainer Prokott und Susanne Kuhlmann sowie Herrn Suchalla, dem wichtigsten Trio aller Zeiten,

bei allen, die sonst genannt oder nie genannt wurden

und beim Landrat, weil er so schön gediegelt hat.

Ihnen allen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und ein schönes Osterfest!

Was ist ein Kreistag?

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Fraktion / Partei – Was ist der Unterschied?

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Wie arbeitet eine Fraktion?

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